Aus dem Alltag einer Cybersicherheitsexpertin: Interview mit Lena Nienstedt
27. November 2024
Ob Großkonzern, Malerbetrieb oder Friseursalon: Cyberangriffe machen heute vor keiner Branche oder Unternehmensgröße mehr Halt. Während größere Unternehmen oft über umfassende Sicherheitsressourcen verfügen, fehlt es bei den kleineren Betrieben jedoch häufig an den nötigen Kapazitäten um ihre IT-Systeme ausreichend zu schützen.
Seit 2021 bietet das Kompetenzzentrum DIGITAL.SICHER.NRW kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus NRW kostenlosen Zugang zu Informationen und Ressourcen zum Thema digitale Sicherheit. Was die Arbeit mit KMU so besonders macht und welche Fähigkeiten für einen Job in der Beratung besonders wichtig sind, verrät uns Cybersicherheitsexpertin Lena Nienstedt in der ersten Ausgabe unserer Interviewreihe.
Hallo Lena, wir freuen uns, dass du Teil unserer Interviewreihe „Aus dem Alltag einer Cybersicherheitsexpertin“ bist. Kannst du dich für unsere ewa-Community kurz vorstellen?
Hi! Ich bin Lena, 29 Jahre jung und arbeite als Beraterin für digitale Sicherheit bei DIGITAL.SICHER.NRW. Ich habe einen Bachelorabschluss im Bereich Informatik und studiere aktuell noch nebenher im Master „Internet-Sicherheit“ an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen.
Wie lief dein Weg in die Cybersicherheit genau ab? Warum hast du dich damals für eine Karriere in diesem Bereich entschieden?
Nach dem Abitur war ich sehr unschlüssig, was ich mal beruflich machen möchte. Eigentlich sollte es in Richtung Kommunikations- oder Medienwissenschaften gehen. Durch den sehr hohen NC in beiden Studienfächern bin ich schlussendlich an der Hochschule Hamm-Lippstadt gelandet und habe den damals noch so benannten Studiengang „Soziale Medien und Kommunikationsinformatik“ angefangen. Es hat sich schnell herausgestellt, dass es sich dabei um ein vollwertiges Informatikstudium handelt und Soziale Medien und der Kommunikationsteil eher richtungsgebende Einflüsse waren. Das „Wie funktioniert das ganze Digitale eigentlich?“ hat mich dann so gepackt, dass ich drangeblieben bin. In den höheren Semestern gab es die Möglichkeit, sich auch mit Themen der IT-Sicherheit zu befassen. So habe ich die ersten Berührungspunkte mit dem Bereich gehabt und bin nach meinem Abschluss nach Gelsenkirchen gezogen, um das Thema an der WHS zu vertiefen.
Als Kompetenzzentrum für Cybersicherheit in der Wirtschaft unterstützt DIGITAL.SICHER.NRW kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in allen Fragen der digitalen Sicherheit. Was macht die Beratung von KMU so besonders? Und wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei dir aus?
Kleinstunternehmen werden genauso wie kleine und mittlere Unternehmen in der Dienstleistungs- und Herstellerbranche leider oft „vergessen“. Dabei haben vor allem diese Betriebe eine enorme Bedeutung für die Wirtschaft. KMU machen 99,1% in NRW aus. In der Realität haben sie oft keine eigenen IT-Kräfte ganz zu schweigen von ganzen IT-Abteilungen. Und selbst wenn, dann ist wichtig zu verstehen, dass IT nicht gleich IT-Sicherheit ist. In meinem Beruf helfe ich den KMU in NRW dabei, sich mit den Themen rund um digitale Sicherheit auseinanderzusetzen, beantworte Fragen auf Augenhöhe, gebe den Betrieben Maßnahmen an die Hand, die sie selbst umsetzen können, um sich so eine Basissicherheit zu schaffen oder gebe Hinweise, wo externe Hilfe durch ein Dienstleistungsunternehmen Sinn macht.
Welche Fähigkeiten sind aus deiner Sicht für die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen besonders wichtig?
Natürlich braucht es für Beratungsgespräche eine gewisse Fachexpertise, um die Maßnahmen und Infrastrukturen der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner nachvollziehen, bewerten und passende Ratschläge geben zu können. Ein breitgefächertes Wissen ist dabei sehr von Nutzen, selbst wenn das nicht immer bis ins kleinste Detail notwendig ist. Wenn ich bei bestimmten Fragen an meine Grenzen stoße, kommuniziere ich das offen und hole die Teilnehmenden zum Thema anschließend noch mal ab.
Die Art und Weise der Kommunikation sowie eine gewisse Anpassungsfähigkeit machen einen weiteren maßgeblichen Teil für gute Beratungsgespräche aus. Wer mit in der Beratung sitzt oder welcher Branche der Betrieb angehört, kann beispielsweise die Tonalität oder die benötigte Tiefe der Erklärungen beeinflussen. Mir ist es vor allem wichtig, Gespräche auf Augenhöhe zu führen und so ein positives Erlebnis für alle Beteiligten zu schaffen.
Der Frauenanteil ist in der Cybersicherheit mit 13% aktuell noch sehr gering. Was sind aus deiner Sicht die Gründe dafür und was muss sich ändern, damit mehr weibliche Fachkräfte den Schritt in die Branche gehen?
Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass wir Frauen uns erst „beweisen“ müssen. Meine erste Beratung – mit einem männlichen Gesprächspartner – fing beispielsweise mit dem Satz an: „Oh, Sie sind ja eine Frau!“. Was mich jetzt ziemlich zum Schmunzeln bringt, war in dieser Situation natürlich schon auch niederschmetternd, egal wie die Intention hinter dieser Aussage auch aussah. Auch wenn es mir damals schwergefallen ist, bin ich selbstbewusst geblieben. Das Gespräch entwickelte sich nach diesem Start zu einem auf Augenhöhe. Auf Messen passiert es immer noch oft, dass ich den Bereichen Sales oder Marketing zugeschrieben werde. Danach folgt meistens ein großes – und oft beeindrucktes – „AHA!“. Ich würde mir wünschen, dass diese geschlechtsspezifischen Zuordnungen von Berufen aufhören würde und man nicht danach, sondern nach Kompetenz bewertet wird.
Welchen Rat würdest du denn anderen Frauen oder Mädchen geben, die über einen (Quer-)Einstieg in die Cybersicherheit nachdenken?
Die Arbeit im Bereich der IT-Sicherheit ist vielfältig, wahnsinnig spannend, voller Möglichkeiten und wird immer wichtiger. Egal ob in Beratungen, auf kleineren Veranstaltungen oder großen Messen, immer trifft man auf spannende Menschen, erfährt teilweise auch haarsträubende Geschichten aus der Praxis und lernt immer mehr dazu. Nicht nur fachlich, sondern vor allem auch persönlich, kann man im IT-Sicherheitsumfeld sehr wachsen. Ich habe in den letzten Jahren so schöne Begegnungen gehabt und positive Erfahrungen gemacht und kann euch deswegen ans Herz legen: Habt keine Scheu vor diesem – noch sehr männerdominierten – Bereich und traut euch in der IT-Sicherheit Fuß zu fassen.
Bei diesem Rat können wir uns nur anschließen. Vielen Dank für diese spannenden Einblicke in deinen Berufsalltag als Cybersicherheitsexpertin, Lena. Wer mehr über die Arbeit von DIGITAL.SICHER.NRW erfahren möchte, findet unten alle wichtigen Infos.
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