Aus dem Alltag einer Cybersicherheitsexpertin: Interview mit Dr. Alexandra Paulus

16. April 2025

Dr. Alexandra Paulus im Interview

Wer Cybersicherheit hört, denkt oft an technische Schutzsysteme. Unsere heutige Interviewpartnerin eröffnet jedoch eine ganz andere Perspektive. Statt Firewalls und Virenschutz stehen bei Dr. Alexandra Paulus die politischen Dimensionen digitaler Sicherheit im Fokus. Als Wissenschaftlerin in einem Think Tank forscht sie zu Cybersicherheitspolitik und neuen Technologien – und berät auf dieser Grundlage Bundestag und Bundesregierung.

Hallo Alexandra, wir freuen uns, dass du Teil unserer Interviewreihe bist. Kannst du dich für unsere ewa-Community kurz vorstellen?

Ich bin Alexandra Paulus und arbeite als Wissenschaftlerin für Cybersicherheitspolitik und neue Technologin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem außen- und sicherheitspolitischen Think Tank mit Sitz in Berlin.

Wie lief dein Weg in die Cybersicherheit ab? Und warum hast du dich für eine Karriere in dem Bereich entschieden?

Während des Studiums hatte ich mich auf lateinamerikanische Politik spezialisiert und habe im Anschluss für eine politische Stiftung in Brasilien gearbeitet. Doch dort merkte ich, dass die Arbeit als Generalistin für mich nichts ist – stattdessen wollte ich mir Spezialistinnen-Wissen in einem Themenbereich aneignen. Zu der Zeit leitete ich ein Projekt zu Cybersicherheits- und Technologiepolitik in Brasilien und lernte dort extrem spannende Leute kennen. Als ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigte, stellte ich fest, dass es eine Forschungslücke gibt zur Rolle Brasiliens bei der Entwicklung von Spielregeln für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zwischen Staaten. Daher entschied ich mich dazu, zu diesem Thema promovieren, also im Bereich Cyberdiplomatie.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Wissenschaftlerin für Cybersicherheitspolitik und neue Technologien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus?

Wir machen angewandte Forschung, um Bundestag und Bundesregierung zu beraten. Das bedeutet, dass wir einerseits wissenschaftliche Debatten in unserem Forschungsbereich mitverfolgen und für unsere Zielgruppe aufbereiten. Andererseits forschen wir selbst und veröffentlichen eigene Analysen. Im Klartext bedeutet das, dass ich sehr viel lese, und zwar unterschiedlichste Formate von wissenschaftlichen Fachbüchern bis hin zu technischen Berichten. Außerdem führe ich viele Hintergrundgespräche – einerseits mit Expert*innen in meinem Forschungsfeld, um selbst neue Erkenntnisse zu gewinnen, andererseits mit unserer Zielgruppe aus Bundestag und Bundesregierung, um meine Analysen weiterzugeben und zu teilen und festzustellen, wo es Beratungsbedarf gibt. Neben dem Schreiben halte ich schließlich auch Vorträge und spreche mit Journalist*innen, um meine Erkenntnisse mit einem breiteren Publikum zu teilen.

Welche Dinge reizen dich an deinem Job besonders?

Ich finde es großartig, dass ich mir meine Forschungsthemen weitgehend selbst aussuchen kann. Dabei muss ich zum Beispiel keine Rücksicht nehmen auf aktuelle Hypes, sondern kann mich danach richten, welche Themen bisher politisch zu wenig Beachtung bekommen haben oder nur sehr einseitig betrachtet werden. Und wenn ich meinen Job gut mache, kann ich durch meine Beratungsleistung auch einen Einfluss auf die Politik nehmen und so die deutsche Technologiepolitik ein Stück besser machen – das motiviert mich sehr.

Welche Fähigkeiten sind als Wissenschaftlerin für Cybersicherheitspolitik und neue Technologien besonders wichtig? Was sollten andere interessierte Frauen noch über dein Jobprofil wissen?

Das spannende an der Arbeit bei einem Think Tank ist, dass man zwischen zwei Welten „übersetzt“: Auf der einen Seite stehen die wissenschaftlichen oder technischen Expert*innen, auf der anderen Seite die Ministerialbürokratie und das Parlament. Während erstere die Materie exzellent kennen, sind sie häufig weniger vertraut mit den politischen Verfahren und Handlungsmöglichkeiten. Unsere Aufgabe ist es, zwischen beiden Brücken zu bauen. Dafür braucht es nicht nur Fachwissen, sondern auch gute Kenntnis politischer Akteure und Prozesse. Und nicht zuletzt spielt auch das Netzwerk eine große Rolle.

Dein Rat an andere Frauen oder Mädchen, die über einen (Quer-)Einstieg in die Cybersicherheit nachdenken?

Es gibt noch so viele Themen, denen Forschende vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben – eine Spezialisierung hilft, als Expertin sichtbar zu werden. Dabei ist es hilfreich, keine Berührungsängste zu sehr technischen Zusammenhängen zu haben. Die Einarbeitung lohnt sich, gerade weil sich wenige diese Arbeit machen und so schnell Fachwissen aufgebaut werden kann. Gleichzeitig ist es für die Arbeit im Think Tank-Bereich sehr hilfreich, den politischen Apparat schon einmal von innen gesehen zu haben – auch schon ein Praktikum in einem Ministerium, einem Abgeordnetenbüro, einer Botschaft oder einer internationalen Organisation kann hier extrem wertvoll sein.

Frauen sind aktuell in der Cybersicherheit leider noch unterrepräsentiert. Was muss sich aus deiner Sicht ändern, damit mehr Frauen den Schritt in die Branche gehen?

Studien belegen zweifelsfrei, dass diversere Teams bessere Ergebnisse liefern. Es sollte daher im Interesse aller Veranstaltungs-Organisationsteams, Personalverantwortlichen und Wissenschaftler*innen sein, häufiger zu hinterfragen, wer gefördert wird und wer nicht. Es geht mir dabei nicht nur um Frauenförderung, sondern auch um weitere Aspekte von Diversität. In der Wissenschaft beginnt das damit, kritisch zu hinterfragen, wen ich als Sprecher*in einlade und wessen Werke ich zitiere. Wenn ich Veranstaltungen organisiere, bemühe ich mich, häufig junge Expert*innen einzuladen, die bisher weniger etabliert sind, aber spannende Expertise haben – das ist häufig für alle gewinnbringender als „big name“-Vorträge. Und schließlich rate ich allen, sich in thematische einschlägige Netzwerke einzubringen.

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke in deinen Berufsalltag, liebe Alexandra.

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